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Archiv-Artikel

Konstantes Modell

Der Krisenclub FC Bayern empfängt am Sonntag Schalke 04. Das Team von Trainer Mirko Slomka eilt derzeit von Erfolg zu Erfolg – mit System

VON KATRIN WEBER-KLÜVER

„Bezaubernd.“ Wie schön, wenn ein Trainer nach einem gewonnenen Spiel so ein Wort wählen kann. „Bezaubernd“ ist für Schalkes Trainer Mirko Slomka der Donnerstag gelaufen. Seine Mannschaft hat mit einem 3:0-Sieg gegen Palermo das Viertelfinale des Uefa-Cups erreicht. So kann’s gehen. Aber: Warum geht’s auf einmal?

Nicht, dass Schalke in der Hinrunde nicht auch schon selten verloren hätte. Aber die Mannschaft spielte sehr oft unentschieden, hatte eine extrem schlechte Trefferquote und in absoluten Zahlen eine äußerst bescheidene Torausbeute. Kuranyi, Larsen, Sand, Asamoah – so viele namhafte Stürmer, so wenig Bälle im Netz. Womöglich haben die Spieler in der Zwischenzeit Tore schießen geübt. Vielleicht sind sie einfach besserer Laune. Gegebenenfalls gefällt ihnen auch das stringente System. System ist mitunter eine erlösende Erleichterung des Seins. Könnte man jedenfalls annehmen, wenn man sich Schalkes Stabilisierung ansieht. Stets 4-4-2 lässt Mirko Slomka spielen, seit er Ralf Rangnick als Cheftrainer abgelöst hat. Und nun ist der FC Schalke 04 mit sechs Siegen die beste Rückrundenmannschaft der Liga. Geschlagen wurde die Elf unter ihrem neuen Trainer bislang nur einmal, mit 0:1 im Hinspiel gegen Palermo. Dass nun im Rückspiel im deutsch-italienischen Dauervergleich dieser Wochen einmal die Italiener unterlagen, ist ganz schön. Aber vermutlich nicht gleich die große Wende. Zu Hause in Italien ist Palermo nur Mittelmaß.

Zurück zur heimeligen Bundesliga. Und zum Schalker Spiel. Das 4-4-2 mit der Mittelfeldraute ist zum konstanten Modell geworden. Die Vorliebe für diese Grundordnung pflegte auch schon Slomkas Vorgänger: Ralf Rangnick schätzte die größere Variabilität und konstatierte zugleich die größeren Anforderungen für Kopf und Körper der Spieler. Vor allem mit Blick auf die Champions League hatte Rangnick gleichwohl alternative Grundordnungen auf dem Plan. Vor allem die Variante mit nur einer Spitze.

So viel Facettenreichtum ist nun nicht mehr von Nöten. Schalke muss sich nicht mehr mit Mailand oder Barcelona messen. Stattdessen mit Frankfurt oder, im Uefa-Cup-Viertelfinale, mit Lewski Sofia. Inzwischen kommt die Mannschaft sogar mal ohne Lincoln zurecht. Anders war es zu Saisonbeginn, als die wochenlange Sperre des Mannes, den Rangnick „das Gehirn“ und „das Herz“ nannte, die Mannschaft überforderte. Heute lässt sich Slomka auch bezaubern, wenn statt Lincoln der noch schmächtigere Azaouagh sich auf der Zehnerposition versucht.

Von solch aufgehellter Stimmung ist Schalkes Gegner in der Spitzenbegegnung des 26. Spieltags, der FC Bayern München, gerade weit entfernt. Nicht nur, weil sich ein Spieler und alle Funktionäre seit Donnerstag mit Anschuldigungen einer Boulevardzeitung zu Verstrickungen in den aktuellen Wettskandal befassen müssen. Auch sportlich ist die Welt für Bayern nicht in Ordnung . Die laufende Serie siegloser Spiele, darunter die Demontage in Mailand und die erste Heimniederlage in der neuen Arena gegen Hamburg, ist ein bayerischer Ausnahmefall. Zugleich ist diese Erfolglosigkeit in der Dämmerung der Ballack-Zeit ein Hinweis darauf, dass eine Zeit zu Ende geht, ohne dem Anspruch einer Ära gerecht geworden zu sein. Das, was mit Ballacks Abschied auseinander brechen wird, ist nicht die große Mannschaft, die es hatte werden sollen. So gesehen bricht womöglich gar nicht so viel auseinander. Wenn jetzt die Münchner Sprachregelung die ist, dass man unbedingt das nationale Double gewinnen wolle, weil das noch keinem Verein zweimal hintereinander gelungen ist, dann ist das deprimierend. Double-Double hört sich fast so schlimm an wie Doppelwhopper. Und hat vermutlich für einen Verein, der jedes Jahr auszieht, um die Champions League zu gewinnen, einen ähnlichen Sättigungseffekt.

Zum Abschluss nun noch eine gute Nachricht für alle Fußballästheten: Die Partie am Sonntag wird auf einem heutzutage selten gewordenem sattgrünen Untergrund ausgetragen. In der Allianz-Arena ist gerade ein neuer Rasen ausgerollt worden.